Fachkonferenz „Reisen für alle in Deutschland – Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal“

Steg ins Meer

Ein Bericht über die Veranstaltung am 5. Oktober 2016 im Haus der Deutschen Wirtschaft.

Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal: mit diesem Anspruch traten alle Referenten der Fachkonferenz ans Rednerpult und stellten ihre touristischen Angebote vor bzw. gaben Einblicke in die Entwicklung des barrierefreien Tourismus in Deutschland. Veranstalter der Fachkonferenz war das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) Berlin e.V.

Iris Gleicke am Rednerpult
Staatssekretärin Iris Gleicke als Rednerin auf der Fachkonferenz

Grußwort vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Das Grußwort sprach Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Sie ist gleichzeitig Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus und engagiert sich sehr für das vom Bund geförderte Projekt „Reisen für Alle“. Sie zog Bilanz und kam zu dem Schluss, dass es zwar langsam vorangeht, aber dennoch stetig und zielstrebig. Ohne die konsequente Förderung und Unterstützung des Bundes wäre das allerdings nicht möglich gewesen.

Die bundesweit einheitlichen Qualitätskriterien und Kennzeichen für barrierefreie Angebote werden von der Tourismusbranche immer stärker angenommen und umgesetzt. Fast alle Bundesländer sind mittlerweile Lizenznehmer des Qualitätssystems. Zudem steht eine digitale Plattform für barrierefreie touristische Angebote kurz vor der Ausschreibung. Damit wird ein wichtiger Meilenstein für die nationale sowie internationale Vermarktung dieser Angebote erreicht.

Projekt „Reisen für Alle“

Rolf Schrader, Geschäftsführer DSFT, gab einen kurzen Überblick über den derzeitigen Stand des Projekts. 1800 Betriebe in Deutschland sind inzwischen zertifiziert. Er dankte allen Beteiligten, denn das Projekt konnte nur gelingen, weil es zu einem Gemeinschaftsvorhaben zwischen den Ländern, den Betroffenenverbänden und den Betrieben wurde. Alle Akteure des Projekts profitieren von der guten Vernetzung und dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch.

flyer-regionenDas System „Reisen für alle Alle“ entwickelt sich ständig weiter. Anfangs waren es vor allem Destinationen und Orte sowie Rad- und Wanderwege. Ein Qualitätssprung ist die Zertifizierung ganzer Angebotsbündel und die Kennzeichnung von Orten und Regionen. Das ist nicht nur ein großer Wettbewerbsvorteil für Tourismusregionen, sondern bietet vor allem den Nutzern einen Mehrwert. Ein Angebotsbündel beinhaltet einen Beherbergungsbetrieb und mindestens zwei weitere Angebote. In Abhängigkeit von der Größe müssen Orte und Regionen unterschiedlich viele Angebotsbündel vorweisen. Menschen mit Einschränkungen legen im Urlaub vor allem Wert auf eine durchgehende Servicekette. Bestandteil der Zertifizierung ist auch die Kommunikation, die vor, während und nach der Reise gewährleistet sein muss.

Marktforschung – Potenziale nutzen

Mit einem Blick in die Marktforschung informierte Rolf Schrader über das Informations- und Reiseverhalten der Menschen mit Behinderungen. Es gibt ein kongruentes Verhältnis zwischen Alter und Behinderung. Diese Gruppe unternimmt wesentlich mehr Inlandsreisen als die Gesamtbevölkerung. 2015 reisten 3 Millionen Urlauber mit Einschränkungen.

  • 11 % reisten allein
  • 81 % reisten mit Angehörigen

Sie bevorzugten die Nebensaison und reisten gern mit Bahn und Bus. Die Reiseintensität ist niedriger als bei anderen Personengruppen.

Dr. Rüdiger Leidner, Vorstand „Tourismus für Alle“ Deutschland e. V. NatKo
Dr. Rüdiger Leidner, Vorstand „Tourismus für Alle“ Deutschland e. V. NatKo

Dr. Rüdiger Leidner, der selbst blind ist, ging besonders auf die Sinneseinschränkungen der Gäste ein, die differenzierter gesehen werden sollten. Die Kommunikation muss sich darauf einstellen, weil die Bedürfnisse sehr vielfältig sind. Er sieht die Kommunikation als ein Projekt an, in dem es um Vermittlung zwischen den Akteuren geht. Ihm geht es um Kompromisse und gemeinsame Lösungen innerhalb der Behindertenselbsthilfe und der Tourismuswirtschaft.

Die NatKo:

  • initiiert Workshops
  • ist auf Messen wie Rehacare, Jugendherbergstage u. ä. präsent,
  • informiert die Fachöffentlichkeit,
  • veranstaltet mit der DZT, Deutsche Zentrale für Tourismus, jährlich den Tag des barrierefreien Tourismus auf der ITB.

Aber all das reicht nicht aus, die Tourismuswirtschaft in dem Maße zu motivieren, wie es wünschenswert wäre. Einerseits gibt es ein großes Potenzial an Reisenden, die sich mehr barrierefreie Angebote wünschen, auf der anderen Seite gibt es noch zu viele zurückhaltende Betriebe und Destinationen. Es wird bisher nicht erfasst, welchen Effekt ein barrierefreies Hotelzimmer hat. Selten reist ein Gast mit Behinderungen allein. Mitunter kommt die ganze Familie mit oder es handelt sich um Gruppenreisen. Deshalb plädiert Rüdiger Leidner für ein besseres Marketing mit einer gut ausgebauten Datenbank (CRM), um Daten erfassen und bewerten zu können. Zufriedene Gäste sind im Übrigen auch gute Multiplikatoren.

Entwicklung und Vermarktung barrierefreier Angebote

Innovationsmanager Olaf Schlieper von der Deutschen Zentrale für Tourismus DZT sprach über die Vermarktung barrierefreier Angebote. Die DZT verfolgt das Ziel, das Reiseland Deutschland als Destination mit einem vielfältigen Spektrum an barrierefreien Urlaubsmöglichkeiten international noch stärker zu positionieren.

Er knüpfte an seinen Vorredner an und betonte die Rolle der Mitreisenden. Gegenwärtig besuchen 80 Millionen ausländische Gäste Deutschland. Für 2030 werden 121,5 Millionen prognostiziert. Das entspricht einem durchschnittlichen Wachstum von 3,5 %. Die meisten Reisenden kommen aus EU-Ländern. Das ist ein Marktanteil von 73,4 %. Erwartet wird eine Steigerung von 1,2 %. Und das Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Die Wahrnehmung des barrierefreien Tourismus in Deutschland ist im Ausland sehr positiv. Aber in der Tourismuswirtschaft gibt es noch sehr viel tun.

Herausforderungen:

  • Lücken in der Servicekette bei touristischen Angeboten für Menschen mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen
  • Uneinheitliche Kriterien, Begrifflichkeiten und Kennzeichnungen
  • Notwendige Sensibilisierung und Qualifizierung der Touristiker und Leistungsträger bezüglich der Kundenbedürfnisse
  • Inklusion als Selbstverständlichkeit
  • Mangel an Plattformen mit Informationen und buchbaren Angeboten
  • Bei Auslandsgästen: Sprache als weitere Barriere

Deutschland unternimmt große Anstrengungen, Menschen mit Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen eine hohe Qualität von touristischen Angeboten entlang der Servicekette bieten zu können. Fast alle Landesmarketinggesellschaften sind Mitglied im Projekt Reisen für Alle. Das ist ein großer Erfolg. Positiv ist auch der Austausch mit Runa-Reisen, dem Spezialanbieter für barrierefreie Reisen.

Positive Entwicklungen:

  • Stadt- und Kulturerlebnis für alle in vielen Städten
  • Nationale Kulturlandschaften wie Naturparke und Biossphäre-Reservate
  • Baumkronenpfade mit barrierefreien Aussichtsplattformen bis zu 50 m
  • Outdoor-Aktivitäten auf dem Lande und auf dem Wasser

Inklusiver Ansatz in der Kommunikation

Olaf Schlieper plädiert statt reinen Behindertenpublikationen für inklusive Angebote mit differenzierten Informationen.

Maßnahmen sind:

  • Zielgruppenspezifische Messen und Workshops
  • internationale Publikationen
  • Marktspezifische Kampagnen
  • Pre-Convention Touren zu barrierefreien Angeboten in den Regionen
  • Unterstützung des Projekts „Reisen für Alle“ auf der ITB
  • Sponsor der Paralympischen Spiele 2016

Die DZT setzt sich für das Reiseland Deutschland als starker Botschafter auf der Germany Travel Mart GTM in Nürnberg ein. Dort, auf dem größten Incoming-Workshop, treffen sich Journalisten, Veranstalter und andere Multiplikatoren, die noch stärker für die Vermarktung barrierefreier Angebote begeistert werden müssen.

Nationaler Aktionsplan 2.0

Richard Fischels vom BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales berichtete über den Nationalen Aktionsplan 2.0, der 2011 erschien und die Länder und Kommunen anregte, eigene Aktionspläne zu entwickeln. Wesentlich zur Bewusstseinsbildung beigetragen hat, dass kommunalen Partnern Antworten auf Fragen gegeben werden musste, wie die Inklusion umzusetzen und zu realisieren ist. Die Plattform „einfach machen“ hat in den zurückliegenden Jahren nicht nur wertvolle Handreichungen und Leitfäden bereit gestellt, sondern auch beispielhafte Projekte lokaler Akteure als Best Practise vorgestellt.

Richard Fischels hob hervor, dass das BMAS viele Projekte großzügig gefördert hat und fördern wird, aber Barrierefreiheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller Akteure ist. 2016 wurden das Bundesteilhabegesetz und das Bundesgleichstellungsgesetz reformiert, in dem der Bund mehr Verantwortung übernimmt und die Rechte behinderter Menschen stärkt. Ziel ist es, bestehende bauliche Barrieren in Bundesbehörden abzubauen und die Verwendung der Gebärdensprache sowie der Leichten Sprache zu verbessern. Aber vielen Verbänden geht das Gesetz nicht weit genug, weil die Wirtschaft weiterhin nur freiwillig einen Beitrag zur Inklusion leisten muss. Das Ziel, dass Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen selbstverständlich sein sollte, rückt damit noch in weite Ferne.

Kommunikation aus der Perspektive des Gastes

Annerose Hintzke von Tourismus für Alle Deutschland e. V. NatKo, ging der Frage nach, wie barrierefrei Informationen über Reisen und Freizeit tatsächlich sind. Vorfreude fängt bei der Planung an. Menschen mit Sinneseinschränkungen wollen auch selbstbestimmt reisen und brauchen verlässliche Informationen. Potenzielle Kunden suchen nicht nach Regionen, sondern zunächst nach barrierefreien Angeboten. Gegenwärtig sind solche Angebote schwer auffindbar. Viele Betriebe stellen ihre guten Angebote nur verschämt dar und sehen sie nicht als Wettbewerbsvorteil. Eine einheitliche Vermarktungsplattform schafft dafür Abhilfe. Auch gemeinsame Messestände auf regionalen Messen mit geeigneten Angeboten erleichtern die Suche und verstärken das Marketing.

Am Beispiel „Hamburg barrierefrei erleben“ stellte Annerose Hinzke eine beispielgebende Internetplattform der Hamburg Tourismus vor. http://www.hamburg-tourism.de/barrierefrei/ Informationen für Leserlichkeit und Leichte Sprache finden sich unter: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de Praxishilfen für Internet sowie PDF- und Word-Dokumente unter: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit

Jonas Deister von den Sozialhelden e. V. erläuterte am Beispiel von Wheelmap.org neue Formen von Datenkooperation. Wheelmap.org basiert auf Crowd Sourcing und entwickelte eine Onlinekarte mit rollstuhlgerechten Orten. Inzwischen sind 700 000 Orte weltweit markiert, davon zwei Drittel in Deutschland. Die App gibt es für iOS, Android und WP10. Die Kooperationen mit anderen Netzwerken wie Immobilien Scout 24 oder Gelbe Seiten soll die Daten omnipräsent machen. Bei allen ortsrelevanten Daten sollten Angaben zur Barrierefreiheit Standard werden. Die Akteure arbeiten daran, weltweit diverse Dateninhaber in das Projekt „Accessibility Cloud“ einzubeziehen, um etablierte Kartenanbieter zu motivieren, Barrierefreiheitsdaten ebenfalls einzubinden. In Bezug zum Projekt „Reisen für Alle“ geht es um die Frage der Kompatibilität der Kriterien. Wünschenswert wäre die kostenlose Bereitstellung dieser Daten.

Kommunikation aus Unternehmenssicht

Urlaub für Alle und doch ganz besonders

Kalogo_carehotelsrina-Anna Dörschel, Geschäftsführerin von Carehotels, geht in diesem Jahr mit einem neuen Hotelkonzept an den Start. Unter dem Motto „Und geht doch! Miteinander Urlaub machen und genießen“ gab sie einen Einblick in die Entstehung der Geschäftsidee. Wie so oft stand am Anfang eine persönliche Betroffenheit in der eigenen Familie. Zunächst wurden barrierefreie Zimmer in den familieneigenen Sonnenhotels eingebaut.

Aber bald war klar, dass man einen anderen Weg gehen wollte. Die Jungunternehmerin erkannte das große Potenzial und wollte den pflegenden Angehörigen einen entspannten Urlaub anbieten. Dafür braucht es aber professionelle Betreuung für Pflegebedürftige. In dem Unternehmen immexa fand sie einen  Kooperationspartner, mit dem das Konzept carehotels entstand, das Urlaubshotels mit professioneller Pflege kombiniert. Das Konzept ist einzigartig, Konkurrenz gibt es noch nicht. carehotels bieten alles aus einer Hand. Schlagworte wie Integration und Barrierefreiheit werden lebendig: Gemeinsamer Urlaub und spürbare Entlastung, egal welchen Alters und möglicher Beeinträchtigungen (vom Kleinkind im Rollstuhl bis zur pflegebedürftigen Oma).

Mitarbeiter mit und ohne Behinderungen arbeiten Hand in Hand im Hotelalltag. Man kann sogar den Service ab Haustür buchen. Die Pflegeleistungen werden mit der Krankenkasse abgerechnet. Wenn man bedenkt, dass es heute bereits 2,5 Millionen Pflegebedürftige gibt und es 2030 mehr als 3 Millionen sein werden, fragt man sich, weshalb andere Anbieter nicht auch auf diesen Markt drängen.

Urlaub für alle und doch ganz besonders zu bieten ist ein hochgestecktes Ziel. Frau Dörschel berichtete über viele Details des Konzepts. Besonders wichtig war ihr, dass die gesamte Ausstattung nicht nur DIN-gerecht ist, sondern vor allem schön und modern anmutet. Sie beauftragte eine Architektin, die selbst behindert ist. In diesem Zusammenhang prägte sie den Satz: „Der Mangel ist die Quelle der Verbesserung“. Die barrierefreien Zimmer sollen auch von Gästen ohne Behinderung gern gebucht werden. Eine Assoziation zum Pflegeheim sollte nicht sichtbar sein.

Wichtige Faktoren sind das Personal und die Kommunikation. Es geht um Respekt und Wertschätzung, um Transparenz, Verantwortlichkeit und Eigenverantwortung. Alle Mitarbeiter müssen das Konzept mittragen und leben. Die Kommunikation untereinander und mit den Gästen ist Teil des Service und wird ständig weiter ausgebaut. Frau Dörschel sprach von Zielkunden statt von der Zielgruppe. Jeder Mensch mit Behinderungen hat andere Bedürfnisse. Deshalb sind die sogenannten Softfacts so wichtig. Die Gäste spüren die Freude, die alle an ihrer Arbeit haben. Ein weiteres Hotel an einem anderen Standort ist bereits in Planung.

Als Gast willkommen – als Mensch erwünscht

Claus Quasten vom Verbund Embrace Hotels im Allgäu schilderte die Vorteile der gemeinsamen Vermarktung. Als der Verbund 2008 gegründet wurde, hatte er 11 Mitglieder, heute sind es schon 43 Integrationsbetriebe, auch in der Schweiz und in Italien. Einerseits geht es um Beschäftigung von Mitarbeitern mit Behinderungen, andererseits um Barrierefreiheit für die Gäste. Alle Mitglieder im Verbund sollen nun mit dem Zertifikat „Reisen für Alle“ geprüft werden. Der Verbund organisiert auch Gemeinschaftsaktionen wie den Tag der offenen Tür, unterstützt Kooperationen und führt Veranstaltungen zur Weiterbildung durch.

Begreifen, was uns bewegt, Ottobock Science Center Berlin

Die Direktorin Elisabeth Quack schilderte zunächst den Weg des Traditionsunternehmens. Einst ein Sanitätshaus mit Schwerpunkt Prothesenanpassung für Kriegsversehrte, steht heute nicht mehr das Produkt im Vordergrund, sondern der Mensch. Es geht um Mobilität und um die Herstellung der Teilhabe am Leben. Im Science Center am Potsdamer Platz ist Barrierefreiheit selbstverständlich. Alle Teilnehmer wurden eingeladen, das Haus einmal persönlich kennen zu lernen.

Idealer Ort, um Inklusion zu erfahren – Phaeno Center Wolfsburg

Das Phaeno Center ist Partner von “Reisen für Alle“ und organisiert wechselnde Mitmachaktionen für Kinder, Erwachsene und Senioren an – eben für alle. Das Gebäude liegt in der Nähe des Hauptbahnhofs und ist selbstverständlich barrierefrei erreichbar. Sandra Bartels vom Team Kommunikation betonte, dass Normumsetzung Ästhetik nicht ausschließen darf. Viele Menschen assoziieren mit Barrierefreiheit Begriffe wir alt und behindertengerecht. Das Wort behindertengerecht sollte deshalb nicht verwendet werden. Das Phaeno ist ein Beispiel für gelungene Inklusion und bietet für die unterschiedlichen Einschränkungen Angebote an. Wer z. B. sehbehindert ist, kann auch gleichzeitig mobilitätseingeschränkt sein. Verschiedene Führungen gehen auf die Bedürfnisse ein. Wichtig ist die Vernetzung aller Akteure vor Ort.

Kommunikation aus Destinationssicht

Diese Beiträge gingen auf die Qualitätssicherung in den Zielmärken ein und beschäftigten sich mit Fragen der Kommunikation.

Barrierefreier Urlaub im Chiemsee-Alpenland

Corinna Raab vom Chiemsee-Alpenland Tourismus schilderte zunächst, wie alles begann. Die traditionelle Gesundheitsregion mit diversen Kurorten bot sich für den barrierefreien Tourismus an. Grundlage war die touristische Datensammlung der gesamten Region als Grundlage für die Gäste. Der nächste Schritt war die einheitliche Bewertung nach dem neuen System „Reisen für Alle“. Mit dem Pilotprojekt wurde das Ziel verfolgt, Bayern als Urlaubsdestination für barrierefreies Reisen zu stärken. Auf der touristischen Servicekette finden sich ganz unterschiedliche Angebote für alle Zielgruppen. Es geht nicht darum, dass jeder touristische Betrieb eine vollständige Barrierefreiheit vorweisen kann. Wichtig ist die verlässliche Information über das bestehende Angebot. Der Gast kann dann selbst entscheiden, ob das Angebot für ihn geeignet ist oder nicht. Die  Vermarktung findet online und offline statt. Die Broschüre „Bayern barrierefrei erleben“ hat eine Auflage von 55.000 Stück. Online werden die Angebote auf allen zur Verfügung stehenden Portalen beworben.

Barrierefreies Reisen heißt bequemes Reisen

Alexander Mayrhofer von der Thüringen Tourismus GmbH ging von dieser Grundidee aus: Bedürfnisse und Anforderungen erkennen, verlässlich erfüllen und übertreffen. Für ihn ist Barrierefreiheit ein Teil der Qualität. Zur Sensibilisierung von Mitarbeitern und Unternehmen hatte die Tourismus GmbH anstelle eines Leitfadens ein Video produziert, das zeigte, wie man auf barrierefreie Angebote aufmerksam machen kann: Ein Ehepaar ohne Behinderungen erkundete im Hotel, in der Oper und in der Stadt ganz nebenbei barrierefreie Qualität. Barrierefreiheit war integraler Bestandteil und Teil von Service. Das Video machte deutlich, dass Menschen mit Behinderung ganz normal die Angebote nutzen können, also inklusiv dazugehören: Achtsamkeit statt Stigmatisierung und Emotionen statt DIN-Norm. Was die Zertifizierung anbelangt riet er, niederschwellig zu beginnen, um die Betriebe zu gewinnen. Man sollte sie da abholen, wo sie stehen und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Angebote sollten als Entscheidungsgrundlage dienen, d. h. auch auf vorhandene Barrieren hinweisen.

barrierefreier-wegAlexander Mayrhofer führte einen Diskurs über den Begriff barrierefrei. Am liebsten würde er ihn vermeiden, was aber zu Lasten der Auffindbarkeit und Differenzierung ginge. Mit Barrierefreiheit ist s. E. auch immer eine Hemmschwelle verbunden. Ein guter Weg ist die Assoziation über gelungene Bilder, die Menschen mit und ohne Behinderung in ganz natürlichen Situationen zeigt. Eine effiziente Kommunikation setzt eine Datenbank mit validen Daten voraus. Sowohl Print als auch online sind wichtige Kanäle, über die potenzielle Gäste erreicht werden. Er endete mit dem Appell: Werden Sie Komfortdenker.

Barrierefreies Naturerlebnis für alle

Hilke Feddersen vom Naturpark Lüneburger Heide schilderte die hohe Komplexität bei der Schaffung barrierefreier Angebote und den großen Planungsvorlauf mit sehr vielen Beteiligten. Einen engen Rahmen setzt auch das Bundesnaturschutzgesetz. Weitere Aspekte sind Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete. Die Großräumigkeit setzt weitere Grenzen. Der Naturpark ist 1070 Quadratkilometer groß. Wege sind nicht per se barrierefrei. Es sind also viele Nutzerinteressen unter einen Hut zu bringen. Bei der Entwicklung von Angeboten muss berücksichtigt werden, dass die Anlagen mindesten 15 Jahre erhalten und gepflegt werden müssen. Dennoch lohnt es sich, verschiedene barrierefreie Angebote zu entwickeln, so dass viele Nutzergruppen davon profitieren. Wichtig dabei ist aber, die gesamte Servicekette im Blick zu haben. Die Zertifizierung nach „Reisen für Alle“ gibt den Gästen nicht nur Sicherheit, sondern erhöht auch die Vermarktungschancen.

Barrierefreies Berlin – Berlin mit und ohne Handicap

Gerhard Buchholz von Visit Berlin setzte zunächst beim Markenkern von Berlin an: Stadt der Freiheit. Über 45 % der Gäste kommen aus dem Ausland. Berlin begeistert vor allem wegen seiner Lebensart und wegen seiner Sehenswürdigkeiten. Es werden große Anstrengungen unternommen, damit Gäste und Bewohner Berlin barrierefrei erleben können. Im nächsten Jahr soll eine App auf den Markt kommen, die alle barrierefreien Einrichtungen und Routen mit detaillierten und verlässlichen Informationen bereithält. www.visitBerlin.de/de/barrierefrei

Vorträge zum Herunterladen

Alle Vorträge können auch nachgelesen werden unter: http://www.reisen-fuer-alle.de/downloads_351.html